Die Geschichte

Der „Rebenschirm“ – eine ausgezeichnete Innovation

Von der Idee (Nov. 2016) bis zum „AustroVin Award“ (Mai 2022)

Der Anstoß zur Entwicklung eines Abdrift- und Recyclinggerätes für die Ausbringung von Pflanzenschutzmittel (PSM) kam von steirischen Weinbauern mit Steillagen. Ihr Problem ist, dass sie keine herkömmlichen Überzeilen-Recyclinggeräte (Tunnelgeräte) verwenden können. Es gibt zwar Großgeräte, die den Spritznebel einfangen und recyceln können – diese sind aber nur für ebene Lagen geeignet.

Die steirischen Weinbauern und Winzerinnen möchten auch auf ihren Steillagen einen umweltfreundlichen Pflanzenschutz durchführen. Mit diesem Anliegen sind sie an die Fachgruppe Technik vom Verband Steirischer Erwerbsobstbauern und Weinbauverband Steiermark herangetreten.

Von der Idee bis zum Prototyp

Nach reiflicher Überlegung, ob ein Abdrift- und Recyclinggerät für Hanglagen überhaupt realisierbar sein könnte, kam dem Entwicklerteam (Christoph Lind, Reinhard Huber sowie Karl u. Regina Lind von der Fachgruppe Technik) die zündende Idee, einen aufblasbaren Leichtbau-Schirm zu konstruieren. Bis zum Bau des ersten Prototyps wurde sehr viel Zeit in die Entwurfs- und Konstruktionsphase investiert, um folgenden Anforderungen gerecht zu werden:

  • Leichtbauweise für allen Weingärten – von der Ebene bis zum Steilhang 
  • maximale Minderung der Abdrift u. Bodeneinträge von PSM
  • entsprechend hohe Recyclingrate von PSM
  • muss mit vorhandener beschränkter Traktor-Umkehrfläche (Vorgewende) auskommen
  • „Zwei Reihen auf einmal Behandlung“ zur Bodenschonung und um Zeit, Kraftstoff u. CO2 zu sparen
  • stufenlose Breitenverstellung für unterschiedliche Reihenweiten
  • bestmögliche Belagsbildung durch Zusatzdüsen und Luftumlenkung
  • muss für neue und gebrauchte Sprühgeräte aller Marken geeignet sein, d.h. Umwandlung üblicher Sprühgeräte zu Überzeilengeräte mit Recyclingfunktion
Fünf Prototypen wurden in einer Lagerhalle beim Lanwirt Huber in der Weststeiermark gebaut.

Die Firma OWT GmbH & Co KG übernahm die Kosten der Entwicklung, Fertigung und Erprobung der Prototypen. Die gestellten Anforderungen wurden mit jedem Prototyp immer besser erfüllt.

Der letzte Prototyp wurde schlussendlich erfolgreich zum Patent angemeldet.

Dieser Prototyp wurde erstmals am „Steirischen Tag der Technik 2019“ in der Obst- und Weinbauschule Silberberg der Öffentlichkeit präsentiert. Die zahlreichen Besucher waren vom Rebenschirm-Einsatz im Steilhang-Weingarten positiv überrascht und von der Konzeption überzeugt.

Vom Prototyp zum verkaufsfertigen Produkt

Um den Rebenschirm auf den Markt bringen zu können, war ein aufwändiger Prozess erforderlich.  Dieser reichte von der Fertigungsüberleitung vom patentierten Prototyp zum markttauglichen Überzeilengerät. Nachdem die Firma OWT keine eigene Fertigungsmöglichkeit hat, übernahm 2020 die Firma Jessernigg GmbH & Co KG mit Sitz in Marchtrenk (OÖ) die Fertigung und den Vertrieb. Sie ist die einzige österreichische Firma, die Sprühgeräte für den Wein- und Obstbau herstellt. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung im Gerätebau war sie den Herausforderungen der Fertigungsüberleitung gewachsen und ist künftig für die Serienfertigung bestens geeignet.  Die Firma Jessernigg setzte mit GF Jochen Lidauer und Entwickler Manfred Weingartner ebenso viel Herzblut in die Rebenschirm-Weiterentwicklung in Richtung Markttauglichkeit ein, so wie das Entwicklerteam für die Herstellung der Prototypen.

2020 fertigte die Fa. Jessernigg einen Rebenschirm der Vorserie, der im Weingarten der steirischen Versuchsstation für Obst- und Weinbau Haidegg in Hitzendorf von Mitarbeitern der Versuchsstation getestet wurde. Dieser Test brachte wertvolle Hinweise für weitere Verbesserungen auf dem Weg zur Serienreife.

2021 wurden zwei Stück der A-Serie gefertigt.

Mit diesen Geräten wurden Applikationsversuche im Weingarten der Versuchsstation Haidegg durchgeführt. Untersucht wurde, welchen Einfluss der Rebenschirm im Vergleich mit einem praxisüblichen, optimal eingestellten „Verlustarm-Sprühgerät“ bezüglich Abdrift, Bodeneintrag und Spritzmittel-Blattanlagerung hat. Die umfangreichen Versuchsvarianten wurden von der Hochschule Geisenheim University (D) ausgewertet. Die Versuchsergebnisse waren für den Rebenschirm äußerst positiv. So wurde bewiesen, dass die Abdrift und die Bodeneinträge enorm reduziert werden können. Auch die Belagsbildung konnte gegenüber der bestmöglichen verlustarmen Variante mit einem herkömmlichen Sprühgerät noch verbessert werden.  Zusätzlich wurde die PSM-Recyclingmenge gemessen, die normalerweise bei üblichen Sprühgeräten als Abdrift und Bodeneintrag verloren geht. Sie betrug bei voller Belaubung max. 35%, die vom Rebenschirm aufgefangen und in den Tank zurückgepumpt wurde (siehe Fachbeiträge „Der Winzer“ Dez. 2021 u. Feber 2022 – Link).    

Im gleichen Jahr wurde der Rebenschirm auf 15 Weinbaubetrieben der Steiermark, Niederösterreich und Burgenland intensiv getestet. Die Rückmeldungen waren äußerst konstruktiv. Der Prozess für das Ausmerzen der „Kinderkrankheiten“ dauerte bis April 2022.

Die erste öffentliche Präsentation vom verkaufsfertigen Rebenschirm fand auf der AustroVin Tulln am 5. Mai 2022 statt.

Die langjährige Rebenschirmentwicklung wurde mit der Verleihung des Innovationspreises „AustroVinAward 2022“ in der Kategorie Weinbau belohnt.